Ich aber – Gott nahe zu sein ist mein Glück.
(Psalm 73,28 E)
Es soll ja Menschen geben, die bei einem Roman zuerst den Schluss lesen. Damit kennt man zwar die Lösung, aber eben nicht den Weg dorthin. Die Jahreslosung stellt uns solch eine Lösung vor. Um den Weg dorthin kennen zu lernen, ist es lohnend den ganzen Psalm zu lesen.
Wer dieses Psalmwort wie der Beter, der es zum ersten Mal gesprochen hat, zu seinem eigenen Gebet macht, der nimmt in Gedanken am Selbstgespräch des Betenden teil und spricht gleichzeitig ein Bekenntnis zu Gott aus. Die Frage, die ihn quält: Was ist der Glaube an Gott wert, wenn Gott es zulässt, dass es denen, die nicht glauben, im täglichen Leben besser geht, als denjenigen, die täglich zu glauben versuchen?
Vordergründig braucht man Gott nicht zu seinem Glück. Zum Glück gehören eine harmonische Familie, in der man Zuwendung erfährt, Freunde, tiefe und dauerhafte Beziehungen, ein soziales Netz, in dem wir uns geborgen fühlen, eine zufriedenstellende Tätigkeit, die Balance zwischen unseren unterschiedlichen Lebensaufgaben, eine materielle Lebensgrundlage, Anerkennung durch Eltern, Freunde und Lehrer.
Genauso deutlich wie der Beter in seiner Zeit können wir außerdem feststellen, dass ganz oft gerade diejenigen, die nichts von Gott halten, Erfolg um Erfolg feiern. Es gibt Menschen, bei denen klappt einfach alles. Meist sind solche Personen auch noch besonders attraktiv und beliebt. Die einen sind nur noch am überlegen, wie sie noch mehr Geld verdienen und ausgeben können; die anderen können sich keine teuren Medikamente leisten oder überlegen, wie sie sich täglich über Wasser halten können. Schönheitsexperten, Wellness-Spezialisten, Diät-Berater, machen ihre Glücksversprechen. Sei glücklich! Andererseits gilt: Fürchtet euch! Fürchtet um euer Geld, um eure Gesundheit, um eure Zukunft.
Das himmelschreiende Unglück der einen und das scheinbar perfekte Glück der anderen stehen nebeneinander. Wie kann man da überhaupt noch von Gott sprechen? Solche Fragen sind für unseren Glauben wie plötzlich aufziehender Nebel, der die Sicht versperrt. Zweifel breitet sich aus und nimmt uns die Sicht. Unser Vertrauen auf Gott ist erschüttert.
Der Psalmbeter zeigt uns, wie wir mit solchen Krisen umgehen können. Er klärt die Situation dadurch, dass er seine abgrundtiefe Enttäuschung vor Gott ausspricht und das führt zur Offenheit für Gott. Der Beter sieht keinen Sinn darin nun umzuschwenken, das Fähnchen nach dem Wind zu hängen. Er spürt auch, dass er mit Nachdenken nicht weiter kommt.
Der Schritt, den er geht: Er geht in den Tempel – übertragen auf uns – dorthin, wo Christen sich treffen. Er entscheidet sich, nicht in den Details der Fragen unterzugehen, sich nicht im Weltschmerz zu suhlen, sondern die größere Perspektive einzunehmen und die Welt mit den Augen Gottes zu sehen. Er erlebt die Gemeinschaft der Glaubenden ganz neu.
Wie ein Netzwerk können wir in der Krise die Gemeinschaft der Glaubenden erleben. „In so einer Jugendgruppe, wenn da alle an Gott glauben, dann kriegt das natürlich auch Kraft und Stärke.“ In der Gemeinschaft gewinnen wir eine neue Sicht und es wird deutlich, worauf es im Leben ankommt. Die Lösung liegt nicht im Grübeln und Selbermachen, sondern in der Gottesbegegnung.
Jesus erzählt einmal von einem reichen Kornbauern, der sich sagt: Du hast doch alles, was du zum Leben brauchst. Dabei denkt dieser an seine gutlaufenden Geschäfte, sein Ansehen, sein familiäres Glück. Jesus antwortet ihm: Du Narr! Was zählt, ist, dass Gott für dich ist und du dich auf ihn verlassen kannst. Wir sind eben arm dran, wenn wir nicht bei Gott geborgen sind. Ich aber – Gott nahe zu sein ist mein Glück. Was für ein Glück!
Alles Leben kommt aus Deiner Hand, Herr,
die raschen Tage und die stillen,
das Lachen und das Weinen,
unsere Zweifel und unsere Zuversicht,
es ist alles vor deinen Augen,
und es lebt von dem Atem deiner Güte. Amen
(Theophil Askani)
Methodischer Hinweis:
Psalm 73 einmal ganz lesen, ebenso die Erzählung vom reichen Kornbauern (Lukas 12, 16-21).
Jürgen Kehrberger
Fachlicher Leiter des ejw
Quelle:
Zum Glück
Andachten 2014
Evangelisches Jugendwerk in Württemberg
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