Predigt zur Jahreslosung 2014 – von Manfred Günther

2013-11-06_banner_jahreslos31.12.2013 / 1.1.2014

Das ist die Jahreslosung für das Jahr des Herrn 2014:

Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Psalm 73,28

Liebe Gemeinde am Beginn eines neuen Jahres!

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie auf die Losung für das Jahr 2014 hören? Woran denken Sie? Würden Sie wohl auch ein Bild zu diesem Wort aus dem 73. Psalm malen wollen oder können: Gott nahe zu sein, ist mein Glück?
Von zahlreichen Künstlern unserer Zeit nämlich gibt es ein Bild zu dieser Losung: Gegenständlich oder abstrakt. Schwarzweiß oder farbig. Auch Fotos darunter. Was sehen wir auf den Bildern? Schöne Dinge aus der Natur: Blüten, Blumensträuße, herrliche Landschaften, ein kleines Gänschen, das unter dem Flügel seiner Mutter herauslugt. Einige haben ein Herz in die Mitte ihres Bildes gesetzt, Glück ist ja Herzenssache. Oft wurde Glück auch durch helles Licht inmitten dunklerer Farbtöne dargestellt. Etwas Besonderes war für mich ein Bild, das nur einen Telefonhörer zeigte. Das soll wohl die Nähe zu Gott ausdrücken, in der wir leben dürfen. Er ist in Rufweite sozusagen. Ich will die Bilder, die ich gesehen habe, nicht besprechen oder gar bewerten. Nur eines will ich zu den Bildern sagen – und das betrifft wirklich alle: Nicht eins hat irgendeinen biblischen Bezug. Und das finde ich seltsam, denn die Bibel ist doch voller Geschichten über Menschen, deren größtes Glück es war, Gott nahe gekommen zu sein. Im Alten Testament ganz direkt. Im Neuen Testament indem sie Jesus kennengelernt haben.

Schauen wir uns ein paar dieser Geschichten aus dem Alten Testament an:

Zuerst fällt mir ein, wie es Adam und Eva im Paradies erging. Die beiden liebten einander. Sie hatten alles, was sie zum Leben brauchten. Der Garten Eden war wunderschön, freundliche Tiere darin, stattliche Bäume und bunte Blumen. Und Gott selbst ging – wie wir hören – am Abend im Garten spazieren und sie konnten ihm begegnen und er war ihnen ganz nah. Dass dies dann anders geworden ist, lag nicht an Gott. Sie kennen die Geschichte. Die Menschen selbst haben ihr Glück und das Leben in der Nähe Gottes verspielt.

Aber wir dürfen auch an Abraham und Sarah denken. Auch ihnen ist Gott nah gewesen und hat ihr Lebensglück begründet: Nachdem Abraham im Gehorsam gegenüber Gott aus seiner Heimat aufgebrochen war, ist er im Gelobten Land reich geworden. Im Alter schenkt Gott Sarah noch den ersehnten Sohn. Bis zu ihrem Lebensende bleibt das Verhältnis Gottes zu den beiden ungetrübt.

Anders war das bei König David. Der hat zwar auch sein Königtum in der Nähe Gottes begonnen und lange glückliche Zeiten gehabt, aber er hat auch große Schuld auf sich geladen und sich eigenwillig von Gott entfernt.

Sehen wir jetzt nach den Geschichten des Neuen Testaments:

Obwohl die Wanderschaft an der Seite Jesu für die Jünger anstrengend und entbehrungsreich war, hätten sie gewiss alle gesagt: „Bei diesem Jesus von Nazareth zu sein, mit ihm durch das Land zu ziehen und von ihm Worte des Lebens zu hören, war für mich das größte Glück, das ich je erfahren habe!“

Die vielen Kranken, die Jesus gesund gemacht hat, fallen uns ein. Wir können uns vorstellen, wie glücklich sie waren, dass Jesus ihnen nahe gekommen ist und der Aussatz von ihnen genommen wurde, sie wieder sprechen oder laufen konnten. Und welch ein wunderbares Geschenk war das doch, wenn Jesus etwa der Mann am Teich Bethesda nach 38 Jahren Leidenszeit gesund gemacht hat. Der konnte sein Glück wohl kaum fassen. Oder der Zöllner Zachäus. Er, der Verachtete, der als Betrüger und Halsabschneider galt, darf mit Jesus Tischgemeinschaft haben und neu anfangen. Und er nutzt die Chance: „Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. (Lk.19,8). Auch die unvoreingenommene Liebe, die Jesus schenkt, kann ein großes Glück sein! Liebe Gemeinde, alle diese biblischen Personen würden doch gewiss ein gutes Bild für diese Losung abgeben:

Gott nahe zu sein, ist mein Glück. Und vielleicht wundert Sie das jetzt auch, dass kein Künstler bisher daran gedacht hat, ein solches biblisches Bildmotiv zu wählen.

Sicher denken wir jetzt auch an uns selbst und ob wir denn auch so sprechen könnten: Gott nahe zu sein, ist mein Glück? Wenn wir uns dabei die biblischen Personen vor Augen stellen, die ich eben angesprochen habe, werden wir wohl sagen müssen: Etwas Ähnliches durften wir noch nie erleben! Ja, auch wir haben Stunden oder gar Tage gehabt, da fühlten wir uns Gott näher als sonst und waren auch glücklich. Aber doch nicht so, wie es bei Adam und Eva war, bei Abraham und Sarah oder bei König David. Und eine solche Nähe zu Jesus, wie damals bei den Jüngern oder bei Zachäus, ist für uns ja gar nicht mehr möglich. Gewiss sind wir auch schon einmal von einer Krankheit genesen, aber das war doch zuerst ärztliche Kunst und nicht so wie bei Jesus, nur durch sein Wort, also wirklich ein Wunder. Selbst die Zuwendung Jesu, die wir etwa beim Abendmahl erfahren, ist nicht so greifbar, wie sie das für den Zöllner Zachäus war. Ich muss Ihnen Recht geben: Es ist heute anders mit der Nähe zu Gott und zu Jesus Christus. Und das Glück, das wir in Gottes Nähe erleben, ist oft nicht ganz so groß und spektakulär. Aber ich will ihnen noch eine Geschichte erzählen, die unser Denken in dieser Sache vielleicht verändert und sich auch für ein Bild eignet, das Sie zur Jahreslosung 2014 malen könnten:

Die Geschichte ist nicht biblisch, spielt aber in biblischer Zeit. Sie ist ein Szene aus einem Film, den ich einmal gesehen habe und hat mich sehr beeindruckt: Jesus ist in Galiläa bei einer jungen Frau zu Besuch. Diese Frau ist an beiden Beinen gelähmt. Jesus erzählt der Frau von seinem himmlischen Vater, von seiner Liebe zu den Menschen und von seinem Auftrag in der Welt. Er spricht von Vergebung und vom Ewigen Leben, das auf uns wartet. Nach einer Weile verlässt er die Frau wieder und kehrt zu seinen Jüngern zurück. Das Lächeln, das die Frau ihrem Besucher am Ende des Besuchs schenkt, spricht von ihrem Glauben und vom großen Glück, das sie in ihrem Herzen empfindet. Das war sie schon, die Geschichte. Ist Ihnen etwas aufgefallen?

Ja, es war wirklich so. Jesus hat die junge Frau nicht geheilt! Als er geht sitzt sie genauso auf ihrem Stuhl wie vorher und wird vielleicht ihr ganzes restliches Leben nicht von diesem Stuhl aufstehen können. Hat sie vergessen, Jesus darum zu bitten? Hat er nicht daran gedacht, sie auch körperlich gesund zu machen?

Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist dies: Es ist eine sehr wichtige, starke Botschaft, die uns diese Szene ausrichtet. Mich persönlich rührt sie viel mehr an, als das, was wir den anderen Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament ablesen können, die ich vorhin skizziert habe. Das ist für mich die Botschaft der Szene aus dem Film:

Gott und unserem Herrn Jesus Christus nahe zu sein, muss nicht dazu führen, dass unsere Gebrechen, Krankheiten und Behinderungen geheilt werden. Es sind ganz andere Dinge, die uns in Gottes Nähe glücklich machen. Die Reihenfolge dieser Dinge wird mancher sicher anders sehen, aber das, was ich jetzt nenne, gehört allemal dazu: Das Wissen, wir sind nicht allein in dieser Welt, wir haben einen Gott, der uns liebt und nach uns sieht. Die Freude darüber, mit unserem Gott jederzeit im Gebet in Kontakt treten und ihm unsere Sorgen und unseren Kummer anvertrauen zu können und dabei gewiss zu sein, dass er uns hört und uns hilft. Die Gewissheit um Jesu Christi willen, dass es keine Schuld gibt, die nicht vergeben werden kann und keinen falschen Weg, auf dem wir nicht umkehren könnten. Der Glaube, dass alles, was geschieht, einen Sinn hat und das Vertrauen, dass Not und Kummer niemals das letzte ist, was Gott für uns bereithält. Die Hoffnung, dass dieses Leben keine Irrfahrt ist, sondern die Heimkehr in die Ewigkeit, in eine Welt ohne Leid, ohne Schmerz und ohne Tränen. Die Aussicht, dass dort all unsere Fragen beantwortet und all unsere Zweifel sich auflösen werden und wir in der ewigen Nähe Gottes leben und glücklich sein dürfen.

Liebe Gemeinde, Jesus hat die junge Frau aus der Filmszene nicht gesund gemacht, aber doch an ihrer Seele geheilt. Der Ausdruck ihres Gesichts, ihr Lächeln am Ende des Besuchs, zeigt uns, dass ihr nichts fehlt, was in ihrer Beziehung zu Gott wirklich wichtig ist.

Vielleicht denken wir im Lauf des gerade begonnenen Jahres immer wieder einmal an diese Szene und die Botschaft, die sie uns ausrichten will. Vielleicht lassen wir uns davon auch immer wieder einmal in Erinnerung bringen, was das meint, wenn die Jahreslosung sagt: Gott nahe zu sein, ist mein Glück.

AMEN

Autor und Copyright:
Manfred Günther
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